Die letzten sechs Wochen haben wir in der Heimat unseres Kiwi-Trainers Ian Wright, im neuseeländischen Sommer verbracht. Zwei Gründe waren auschlaggebend, dass wir ein derart langes Trainingslager am Stück in Neuseeland planten. Zum einen können wir so höhere Umfänge an Trainingsstunden in der Wärme absolvieren und somit das Risiko einer Erkrankung im europäischen Winter minimieren und zum anderen herrschen auf dem windanfälligen Lake Karapiro ähnliche Windverhältnisse wie wir sie wohl auch im August in Rio de Janeiro auf dem Lagoa Rodrigo de Freitas antreffen werden.
Die Olympischen Spiele 2016 in Rio werden unsere zweiten Olympischen Spiele sein und nach unserer bitteren Erfahrung mit dem 5. Platz in London 2012 brennen wir auf Revanche mit Olympia! Es gibt keine Entschuldigungen, wir wollen zeigen was wir wirklich können und am Tag X unser bestes Ruderrennen auspacken. Hierfür trainieren wir so hart und smart wie wir nur können. Rudern ist der ultimative Teamsport. Man gewinnt zusammen, man verliert aber auch zusammen. Als Athlet in einem Viererteam sind meine Träume und Ziele in anderen Händen und Ihre Träume liegen in meinen Händen. Wenn sich jemand verletzt oder ausfällt, dann ist die Reise mit unseren Zielen Gameover. Jeder Einzelne unseres Vierers hat also nicht nur für sich selber eine Verantwortung, sondern auch eine Verantwortung gegenüber den anderen drei Teammitgliedern und dem Trainer.
Die Tage in Neuseeland sind vollgepackt mit harten Trainings auf dem Ergometer, Kraftraum, auf dem Rennvelo und natürlich auf dem Wasser im Vierer und Zweier-ohne, wo wir uns in wechselnden Kombinationen gegenseitig nichts schenken und uns gegenseitig fordern. Die Tage sind dementsprechend lang und unsere Körper schreien nach Erholung, doch unser Trainer pflegt jeweils zu sagen „I know you are tired, absolutely smashed and in the hole, but I wanna make sure you stay in the hole till the days where it really matters“. Nach der letzten Saison haben wir die Gewissheit und das Vertrauen, dass sein hartes Trainingssystem funktioniert, auch wenn wir körperlich absolut erschöpft sind. Es ist ein stahlhartes, mentales Spiel, doch die Passion für unseren Sport und unser gemeinsames Ziel in Rio, motivieren uns die Trainings durchzustehen.
Apropos mental Game: Rudern ist insofern eine spezielle Sportart weil die Balance und das Zusammenspiel zwischen individueller Leistungsfähigkeit und dem Funktionieren als Gesamtteam zusammenkommen. Man kämpft und misst sich den ganzen Winter hindurch gegen seine eigenen Teamkollegen, um sich einen Sitz im prestigeträchtigen Olympiaboot zu ergattern, aber dann muss man in der Saison im Frühling und Sommer wieder als eine Einheit in der Crew zusammenkommen und als Team gegen die anderen Nationen um Edelmetall zu kämpfen. Es ist also nicht immer ganz einfach, wenn man als Endziel den Gewinn einer Medaille an WM oder Olympischen Spielen mit seinen Teamkameraden anstrebt, auf dem Weg dazu allerdings in kleinen Zwischenzielen zuerst seine Teamkollegen schlagen muss, ums sich einen Platz im Boot zu ergattern. Wir sind also nicht nur Freunde, sondern auch Gegner. Rein mental gesehen sind dies grössere Herausforderungen als sich mancher von Aussen vorstellen mag. Denn man trainiert Tag für Tag, Woche für Woche mit den gleichen Leuten auf dem gleichen See miteinander, isst am selben Tisch, schläft unzählige Nächte im gleichen Zimmer und kämpft während sechs Monaten um einen Platz im Boot und sobald wir selektioniert sind, sitzen wir zusammen im gleichen Boot, sind also nicht mehr Gegner sondern Teamkameraden und haben nur ein Ziel: Das Boot gemeinsam so schnell wie möglich zu machen und dies geht nur als eine Einheit und ein Team.
Es ist hier wo sich Einzelsportler von den herausragenden Persönlichkeiten eines Teamsportlers hervorhebern und erfolgreich sind. Dabei ist es wichtig eine gut funktionierende, konkurrierende Truppe zu haben, wo man aber auch Rücksicht aufeinander nimmt und die Lücke für jemand anderen schliesst, wenn jemand gerade schwächelt.