In Polen haben Simon Schürch und Mario Gyr mit dem "Leichten Vierer ohne" EM-Gold geholt
von Susanne Loacker
Mission Accomplished: Schweiz ist Europameister
Die EM-Goldmedaille vom Wochenende: Ein Sieg mit Ansage?
Simon: Wir sind zufrieden, glücklich, aber nicht masslos überrascht. Wir trainieren viel, sind schon lange dabei. So ein Sieg zeigt, dass wir - Simon Niepmann, Lucas Tramèr, Mario und ich - auf dem richtigen Weg sind
Mario: Wir sind einen miesen Halbfinal gefahren, mit viel Glück in den Final gekommen. Dort hatten wir einen eher verhaltenen Start. Doch dann haben wir bei 1000 Metern die Bombe gezündet.
Wie zündet man die Bombe?
Simon: Wir sind zwei Jahre nicht zusammen gerudert, sondern in verschiedenen Zweiern. Beim Start zeigen sich Abstimmungsschwierigkeiten am deutlichsten. Im Halbfinal haben wir den Kopf verloren. Danach haben wir das Rennen analysiert und gesehen, was wir verbessern müssen. Im Final sind wir ruhig geblieben und haben die Kontrolle behalten. Wir wissen, dass wir auf den mittleren 1000 Metern schneller sind als die anderen.
Mario: So ein Rennen zeigt den Unterschied auf zwischen guten und Weltklasse-Athleten. Körperlich sind alle bereit, das ist keine Frage. Aber die mentale Fähigkeit zu haben, nach einem schlechten Halbfinal und einen verpatzten Start noch einmal Vollgas geben können, den sechsten Gang einlegen, und zwar alle zusammen – das macht den Unterschied. Am Schluss haben wir mit einer Bootslänge Vorsprung gewonnen, das sind in der Leichtgewichtsklasse Welten.
Eure Medaille ist auch für die Schweiz ein historischer Sieg: Nach neun Jahren Durststrecke endlich eine EM-Medaille in einer olympischen Bootsklasse.
Mario: In der Schweiz ist Rudern ein Randsport. Wir trainieren zwei- bis dreimal täglich neben dem Studium. Wir haben aber auch den Luxus, das machen zu können, was wir gerne machen. Dieser Spirit verbindet uns alle im Boot.
Simon: Langfristig tut so ein Sieg auch der Ruderszene gut – und damit uns selber. Erfolg bringt Präsenz. Es liegt also an uns und an unserer Leistung, wie die Öffentlichkeit den Rudersport wahrnimmt.
Mario, du hast einmal gesagt, ein Team brauche einen Leader, ein Leader brauche ein Team. Bist du der Chef an Bord?
Mario: Nein. Jeder im Boot hat seine Aufgabe, gewisse Fähigkeiten, die ihn auszeichnen. Das Wichtigste ist, dass jeder einzelne bereit ist, an seine Grenzen und auch darüber hinaus zu gehen. Sonst hätten wir auch nie und nimmer dreimal das Red Bull XRow gewinnen können.
Du warst vor 10 Wochen noch im Spital.
Mario: Ich musste mich einer siebenstündigen Nierenoperation unterziehen. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, ob ich wieder zurückkommen würde. Dass es so schnell geht, habe ich nicht erwartet.
Simon, wie ist es dir während dieser Zeit ergangen?
Simon: Es war hart, ich musste weitertrainieren, obwohl ich wusste, dass meine Chancen in Rio deutlich sinken würden ohne Mario. Andererseits kenne ich Mario gut genug, um zu wissen, dass er alles geben würde. Ich wusste auch immer: Wenn Mario wieder da ist, werden wir noch schneller.
Was bedeutet dieses EM-Gold im Vierer nun für Rio? Dort wolltet ihr eigentlich im Zweier an den Start.
Mario: Jetzt, wo der Vierer so gut läuft, wäre es schön blöd, es nicht zu versuchen. Schliesslich haben wir noch eine Rechnung offen: 2012 in London fuhren wir mit dem genau gleichen Team auf den fünften Rang, nachdem wir in den Vorläufen alle späteren Medaillengewinner geschlagen hatten. Auf einer anderen Bahn hätten wir andere Windverhältnisse gehabt. Drin gelegen wäre eine Medaille damals schon.
Simon: Beide Boote, der Zweier und der Vierer, sind olympisch. Der Trainer hat sich für den Vierer entschieden, und das ist richtig so. Denn schliesslich möchtest du als Ruderer nichts anderes als im schnellsten Boot sitzen.